Die deutsche Mutter

Spannender Artikel in der Zeit über den langfristigen Einfluss der NS-Zeit auf Kindererziehung:

Um sie zu guten Soldaten und Mitläufern zu machen, forderte das NS-Regime Mütter dazu auf, die Bedürfnisse ihrer Babys gezielt zu ignorieren. Sie sollten emotions- und bindungsarm werden. […] Obwohl nur wenige Meter weiter ihr Kind schrie, machte [die Mutter] keine Anstalten, es hochzuheben oder zu trösten. “Wenn wir die Mütter fragten, warum sie das taten, sagten sie: Sie dürften das Kind ja nicht verwöhnen.” Sätze wie dieser und Sprichwörter wie “Ein Indianer kennt keinen Schmerz” sind bis heute verbreitet.

Basierend auf einem Erziehungsratgeber von Johanna Haarer, einer grundsympathischen Frau:

Begeisterte Nationalsozialistin blieb sie den Aussagen zweier ihrer Töchter zufolge bis zu ihrem Tod 1988. Und nicht nur ihre persönliche Einstellung überdauerte das Dritte Reich – auch ihr Hauptwerk Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind blieb noch lange verbreitet. Bis Kriegsende erreichte es, durch NS-Propaganda beworben, eine Auflage von 690.000 Stück. Aber auch nach dem Krieg wurde es – vom gröbsten Nazijargon bereinigt – bis 1987 noch einmal von fast genauso vielen Deutschen gekauft: am Ende insgesamt 1,2 Millionen Mal.