Westworld, S03
Hmmm. Nunja. Das war es dann leider für Westworld mit der Chance, dauerhaft zu den ganz großen Dramen zu gehören, dazu war diese Staffel zu holprig. Spoilerwarnung für sämtliche bisher erschienenen Staffeln, also bis einschließlich Staffel 3.
Ich weiß schon gar nicht mehr, woher vor Beginn dieser Staffel das Gerücht kam, dass es die letzte Staffel sein würde. Vielleicht hat man sich das nur aufgrund der geringeren Episodenorder gedacht? Für mich hat das nach dem Ende der letzten Staffel keinen Sinn gemacht – da war doch offensichtlich noch so viel mehr Story zu erzählen. Leider versucht die dritte Staffel einen viel zu großen Bissen davon auf einmal und verschluckt sich dabei ein wenig.
Es ist unheimlich spannend, “endlich” aus dem Park raus und in der Außenwelt zu sein, aber diese bekommt viel zu wenig Raum und wird nicht ausreichend eingeführt. Dabei gäbe es doch mit Dolores, die diese Welt auch neu erkundet, so viele Möglichkeiten, uns ein bisschen gemächlicher zu erzählen, wie diese Welt funktioniert, und wie sie gewachsen ist. Gefühlt hätte nur dafür eine ganze weitere Staffel zwischen S02 und S03 gepasst.
Ein weiteres Problem ist die Midichlorianisierung: Ebenso wie die genauere Erklärung ihrer Funktionsweise der Macht in Star Wars den Zauber nimmt und einen stattdessen zum Stirnrunzeln bringt, hat die dritte Staffel zu viele Momente, die primär als toller visueller Effekt gedacht sind, dabei aber Dinge entzaubern. Paradebeispiel ist der Dolores-Bausatz im Finale. Plötzlich können sich Hosts also 100% authentisch aussehende Haut wie einen Handschuh anziehen. Bislang war unser Kenntnisstand aber, dass sie in Becken aus weißem “Goo” gedruckt werden, mit Ersatzblut befüllt werden und komplette Abteilungen nötig sind, um sie dann auch wirklich echt aussehen zu lassen? Generell war das relativ nebulös – es wurde nie genauer gezeigt und hinterfragt, wieso das so gut funktioniert. Mit den “Druckstationen” gab es eine cool aussehende Erklärung, die man einfach annehmen konnte. Dazu jetzt eine alternative Variante zu zeigen – aber erst exakt in dem Moment, wo es für die Story nötig ist – ist nicht das Niveau, das die Serie bislang gehalten hatte.
Für die dritte Staffel hatten die Macher versprochen, dass der Handlungsstrang nicht mehr so kompliziert und durch unklare Zeitsprünge verschleiert sein sollte. Das haben sie im Wesentlichen eingehalten, aber besser hat das die Story nicht gemacht. Ganz im Gegenteil: Die ersten beiden Staffeln waren komplex, aber es war ungemein befriedigend, wie gegen Ende dann alles ineinandergegriffen hat. Ich habe vorab extra nochmal einen kompletten Rewatch gemacht, und die vorigen Staffeln waren meilenweit besser strukturiert.
Generell ist die Serie natürlich mit dem Wechsel in die “echte Welt” eine ganz andere geworden. Leider nicht unbedingt in der Art und Weise, wie ich es mir gewünscht hatte. Wäre es nicht mit ausschließlich Delos interessant genug gewesen? Klar, ein bisschen genereller Zukunftskram aufgrund der Zeit, in der sie spielt – aber prinzipiell eben nur: Dolores und ein paar Hosts sind draußen in der Welt, und Delos (die auch noch das Park-Massaker verarbeiten müssen) weiß das. Wieso braucht es in derselben Staffel sofort noch den “krasse AI steuert ganze Welt steuert und will die Park-Daten als Bestandteil ihres Masterplans”-Plot? Das entwertet die bisherigen Staffeln doch sofort als weniger gewichtig: Es war alles nur ein bedeutungsloser Teil von etwas noch viel größerem. Natürlich hat Westworld mit diesem Aspekt von Anfang an gespielt. Das ist auch völlig in Ordnung, das mag ich generell auch sehr gerne. Aber das muss behutsam geschehen, sonst verpufft die Wirkung solcher Enthüllungen, und auf einmal hat nichts mehr die Gravitas, die davor so mühevoll aufgebaut wurde.
Das klingt alles sehr negativ – dabei war so vieles wieder sehr gut, aber der grandiose Soundtrack (gerade läuft die frisch erschienene dritte Ausgabe im Hintergrund), die Kameraarbeit, die Darsteller, kommen eben alle nur dann wirklich zur Geltung, wenn die Story und Dialoge stimmen. So sehr ich Vincent Cassel und Aaron Paul schätze, aber lieber habe ich sie nicht in Westworld, als so hastig und konfus eingeführt. Gleichzeitig wird dann in einer Folge (mit Gastauftritt von Veronicas Dad, Enrico Colantoni) viel Zeit vergeudet durch anstrengende Wiederholung von absolut offensichtlichen Dingen – ist das die oben schon angesprochene “Vereinfachung” des Plots?
Dabei ergibt es insgesamt auch absolut Sinn, dass die in der Serie behandelten Konflikte irgendwann in einer Hommage an das Finale von Fight Club kulminieren. Zum Zeitgeist passt es – siehe Joker, oder Mr. Robot – auch wunderbar, und grundsätzlich liebe ich solche Storylines. Aber der Weg ist das Ziel. Und der war diesmal zu kurz – als wäre man direkte Luftlinie über einen sich schlängelnden Pfad gegangen. Das ist aber nicht die passende Antwort auf die Kritik, dass der Pfad in der Vergangenheit nicht geradlinig genug war.
Schade! Ich hatte trotzdem viel Spaß, ich jammere auf hohem Niveau. Die Serie bleibt besser als vieles, was sonst so läuft. Ich bin gespannt, wie es (vermutlich in ein paar Jahren…) weitergeht, hoffentlich dann zumindest wieder auf dem Niveau der zweiten Staffel. Übrigens funktioniert S01 als ziemliches Meisterwerk auch gut für sich allein.