The Handmaid's Tale

Vor einem guten Jahr hatte mir die Bitch die Serie gepitched, woraufhin ich die ersten beiden Staffeln sehr flott aufgesogen habe. Wie schon im Mini-Review zur dritten Staffel angemerkt, hat meiner Meinung nach die Qualität seit der Auftaktstaffel deutlich nachgelassen. Umso neugieriger bin ich dadurch aber auf das Buch geworden. Als nun fast 35 Jahre nach Erscheinung von dessen ursprünglicher Autorin, Margaret Atwood, eine Fortsetzung veröffentlicht wurde, wollte ich mir die beiden Bücher endlich vornehmen und habe heute den ersten Band beendet.

Der Trailer zur Serie gibt einen guten Einblick in die darin vorherrschende Dystopie: In den Staaten (bzw. einem Teil davon) gab es einen blutigen Putsch fundamental-religiöser Fanatiker. Frauen dürfen nicht mehr lesen, keine Freundschaften/Beziehungen pflegen, und sind im Wesentlichen entweder Dienstmädchen oder Gebärmaschine. Hier spielt zusätzlich ein nicht näher erklärtes Problem mit extremem Geburtenrückgang durch weitverbreitete Unfruchtbarkeit eine Rolle. Die sogenannten handmaids, die verbleibenden gebärfähigen Frauen, werden einem hochrangigem Mann/Haushalt nach dem anderen zugeteilt – in der Hoffnung, dass die Gesellschaft von Gilead, so der Name des fiktiven Staates, ihre demographischen Probleme unter Kontrolle bekommt.

Die Handlung spielt sich nicht arg weit in dieser potentiellen Zukunft ab, sodass die Protagonistin Offred, eine Handmaid, noch bis Mitte 20 die Zeit vor dem Putsch erlebt hat. Erzählt wird die Geschichte tagebuchartig. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sie als Frau keine Möglichkeit haben konnte, etwas aufzuschreiben oder anderweitig außerhalb ihres Erinnerungsvermögens zu speichern. Dieser Umstand wird auch im Epilog des Buches thematisiert, und insgesamt liegt hier wohl der größte Unterschied zur Serie. Letztere wechselt natürlich regelmäßig die Perspektive, Nebencharaktere bekommen eigenen Raum, und als Zuschauer wissen wir mehr als Offred. Gerade in der ersten Staffel ist dieser Unterschied noch weniger stark ausgeprägt, aber auch hier ist es bereits ein gänzlich anderes Erlebnis als im Buch, wo wir stets nur ihren Blickwinkel haben. Immer wieder gibt es Stellen, an denen sie selbst explizit darauf hinweist, dass sie keine zuverlässige Quelle ist, da sie nur begrenztes Erinnerungsvermögen hat und aufgrund ihrer Umstände auch stets damit ringt, nicht den Verstand zu verlieren.

Auch der Schreibstil ist entsprechend ungewöhnlich, es gibt fast nur indirekte Rede. Nur selten kann man anhand von Anführungszeichen erkennen, wann wirklich gesprochen und wann nur gedacht wird. Durch diese Homogenität im Schriftbild merkt man oft erst verspätet, wann ein Gedankengang endet und der nächste beginnt, wann es sich um Gedanken, Träume, Fantasien oder um Schilderungen, Gespräche, Beobachtungen handelt. Das ist anfangs durchaus anstrengend, vermittelt aber gut das Gefühl, komplett in Offreds Kopf zu stecken. Auch dieser Aspekt fehlt der Serie.

Rückblickend bereue ich sehr, die Serie im Vorfeld geschaut zu haben. In Buch wie Serie wird man ins kalte Wasser geworfen und versteht erst nach und nach, wie die Gegebenheiten sind und wie sie zustande kamen – meine kurze Zusammenfassung oben ist sehr knapp. Ich werde aber nie beurteilen können, wie das Buch unter diesem Gesichtspunkt auf mich gewirkt hat, da ich sämtlichen Kontext bereits aus der Serie im Vorfeld kannte. Ich glaube, dass das Buch das ziemlich gut gemacht hat. Ich würde auch sagen, dass ich die Story im Buch wirkungsvoller erzählt finde, ohne all das in der Serie zusätzlich vorhandene Füllmaterial. Aber sicher kann ich nicht sagen, wie gut ich das im Kopf trennen konnte.

Wenn ich eins von beidem weiterempfehlen müsste, dann aber definitiv das Buch. Hier weiß ich zwar noch nicht, ob die Fortsetzung sich auch lohnt, aber bei der Serie kann ich schon jetzt sagen, dass es – wie so oft – am Mut gefehlt hat, eine starke Geschichte dann zu beenden, als sie noch stark war.

4/5