Gut gegen Nordwind
Zur Abwechslung habe ich mal ein deutsches Buch gelesen. Empfohlen wurde es mir von einer guten Freundin – ein lustiger Moment. Anfang des Jahres hatte ich in meinem Freundeskreis nach Buchempfehlungen gefragt, und war initial kurz irritiert, als mir deutsche Bücher genannt wurden. Eine halbe Sekunde später war der Groschen aber gefallen: Natürlich lesen die Leute in meinem Umfeld, die sich Serien nicht im O-Ton anschauen, auch eher deutsche Bücher. Nicht jeder steckt so tief in der angelsächsischen Kulturblase wie ich.
Gut gegen Nordwind ist ein interessantes Buch – es findet ausschließlich als E-Mail-Dialog statt. Eine Frau schreibt aus Versehen an die falsche E-Mail-Adresse, und aus dem nachfolgenden Dialog entsteht eine Beziehung, Freundschaft, Romanze, Liebschaft, Affäre. Ich zähle bewusst alle Worte auf, denn worum es sich genau handelt, ist gar nicht so leicht zu definieren. Auch das Buch gibt keine abschließende Antwort darauf – wie auch, es hat ja nur die sehr eingeschränkten Blickwinkel des E-Mail-Dialogs zur Verfügung. Inneren Monolog gibt es nicht, nur das was die Gesprächspartner einander preisgeben – und was man zwischen den Zeilen lesen kann. Und gerade letzteres macht die Lektüre wirklich zu einer spannenden Erfahrung. Denn als Leser bringt man auch seine eigene Perspektive mit, und liest dadurch natürlich auch immer aus dieser heraus zwischen den Zeilen. Ich hatte selbst vor etwa 15 Jahren mal eine ganz ähnliche Erfahrung. Das Buch fängt die Aufregung und den Rausch sehr gut ein, den man nur durch ein paar gewechselte E-Mails mit einem Menschen, den man noch nie gesehen hat, verspüren kann. Mit dem Bonus, das man einfach weiterlesen kann, statt wirklich Stunden und Tage auf die nächste verheißungsvolle Nachricht im Posteingang warten zu müssen.
Das Buch ist aber auch recht deutsch. Und ich mag deutsche Kultur zu einem großen Teil einfach nicht, weil sie auf mich so gestelzt wirkt. Es gibt mittlerweile zwar auch Ausnahmen, aber genau wie die meisten deutschen Film-/Fernsehproduktionen in etwa so natürlich klingen wie die Zeitansange, ist auch die Sprache in diesem Buch einfach oft sehr künstlich. Und das schmerzt gerade wenn es um so vermeintlich persönliche Texte geht wie E-Mails es sein sollten.
Inhaltlich würde ich dem Buch eine leichte Schizophrenie unterstellen – einerseits bringt es halbwegs moderne und aufgeklärte Gedanken über Beziehungen und Partnerschaften, Liebe und Ehe, Sex und Freundschaft ins Spiel, andererseits ist es doch oft noch recht konservativ in seinen Geschlechterrollen.
Allen Makeln zum Trotz bin ich aber wie schon erwähnt durchaus in den Bann gezogen gewesen und habe das Buch auf wenige Tage ausgelesen gehabt – und mir direkt die Fortsetzung vorgenommen.